Nach dem Erbfall ist dies die quintessentielle Frage: Soll man die Erbschaft annehmen oder ausschlagen? Dies richtet sich danach, ob das Erbe ggf. mit hohen Schulden belastet ist, so dass einem als Erbe am Ende weniger verbleibt als vor dem Erbfall.

Der Gesetzgeber macht es einem nicht einfacher, da nach § 1944 BGB eine relativ kurze Ausschlagungsfrist von 6 Wochen für Erben im Inland bestimmt wird. Man sollte dementsprechend keine Zeit verlieren und sich vorab zu diesem Thema beraten lassen. Dennoch kann es nützlich sein auch selbst ein Gefühl für das Thema zu entwickeln. Hierzu dient folgendes Fallbeispiel:

 

Beispielsfall zum Thema Ausschlagung der Erbschaft:

 

Am 5. Mai 2018 verstirbt der Erblasser E. ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Seine nächsten Angehörigen sind die Ehefrau F, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war, und die beiden Kinder Sohn (S) und Tochter (T).

 

Bei Eheschließung hatten beide Eheleute kein Anfangsvermögen.

Beim Tod des Erblassers verfügt die Ehefrau F über ein ihr gehörendes Bankkonto in Höhe von Euro 20.000,--.

Der Nachlass des Erblassers setzt sich wie folgt zusammen:

 

Dem E alleine gehörende Eigentumswohnung                                             Euro  400.000,--

Bankvermögen                                                                                              Euro  200.000,--

dem E gehörender Hausrat in der Eigentums-

Wohnung u.a. CD-Player, TV, DVD, Kücheneinrichtung                              Euro     20.000,--    

Wert Nachlass gesamt                                                                                 Euro    620.000,--

 

Zwei Wochen nach dem Todesfall  fragt die Ehefrau den ihr bekannten Rechtsanwalt, ob es für Sie günstiger wäre, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen.

 

Lösung des Fallbeispiels

 

A. Annahme der Erbschaft

 

Da E kein Testament hinterlassen hat, gilt die gesetzliche Erbfolge. Neben den Kindern wird die in Zugewinngemeinschaft lebende Ehefrau mit ¼ am Nachlass beteiligt. Ferner erhält sie ein weiteres Viertel als pauschalen Ausgleich des Zugewinns. Mit dem Tod eines Ehepartners endet nämlich der Gütertand der Zugewinngemeinschaft, so dass Ausgleichsansprüche entstehen können.

Damit unter den Angehörigen, d.h. hier zwischen F und ihren Kindern S und T kein Streit über die Höhe des Zugewinnausgleichs entsteht, ordnet das Gesetz einen pauschalen Zugewinnausgleich des überlebenden Ehepartners an. Dieser wird so verwirklicht, dass der überlebende Ehegatte neben dem erbrechtlichen ¼ noch mit einem weiteren ¼ am Nachlass beteiligt wird, insgesamt neben den Kindern also ½ des Nachlasses erhält. Da es sich um einen pauschalen Zugewinnausgleich handelt, spielt es keine Rolle, wie hoch der tatsächliche Zugewinn der beiden Eheleute war und welcher Ehegatte den höheren Zugewinn in der Ehezeit  erzielt hat.

 

Als gesetzliche Erbin erhält die Ehefrau neben ihrem Erbteil noch den sog. „Voraus“. Wird der Ehepartner neben Abkömmlingen (Kinder, Enkel etc.) gesetzlicher Erbe gebühren ihm nur die zur Führung eines angemessenen Haushalts notwendigen Gegenstände als „Voraus“. Wird er dagegen neben anderen Angehörigen gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm sämtliche zum Haushalt gehörenden Gegenstände als Voraus.

 

Beispiel: F wird gesetzliche Erbin des verstorbenen Ehemanns M. Die Wohnung ist mit sehr wertvollen Bildern  im Gesamtwert von Euro 300.000,-- ausgestattet. Wird F neben den Kindern gesetzliche Erbin, so erhält sie diese Gegenstände nicht als „Voraus“, da sie zur Führung eines angemessenen Haushalts nicht notwendig sind. Wird sie dagegen neben den Eltern oder anderen Verwandten des Erblassers gesetzliche Erbin, darf sie die wertvolle Kunstsammlung behalten.

 

Im vorliegenden Fall sind die den Voraus darstellenden Gegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts notwendig, da sie zur täglichen Lebensführung benutzt wurden und der F eine Ersatzbeschaffung auf ihre eigenen Kosten nicht zumutbar ist.

 

Sonach bekommt F den Hausrat als „Voraus“ im Wert von Euro 20.000,-- und vom restlichen Nachlass in Höhe von Euro 600.000,-- ½, d.h. insgesamt eine Wertbeteiligung am Nachlass von insgesamt Euro 320.0000,--.

 

B. Ausschlagung der Erbschaft

 

Innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis des Erbfalls und des Grundes der Erbfolge (hier: gesetzliche Erbfolge mangels Testament) kann F durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung erklären. Die Ausschlagungserklärung erfolgt entweder in notarieller Form oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle des Nachlassgerichtes.

 

In diesem Fall erhält F

 

a. den konkret berechneten Zugewinnausgleich, der wie im Fall einer Scheidung

    berechnet wird.

b. Daneben den sog. „kleinen Pflichtteil“

 

Der „kleine Pflichtteil“ besteht in der Hälfte des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil neben den Kindern (ohne die Zugewinnpauschale!) beträgt ¼, die Hälfte davon 1/8.

 

Den Voraus erhält F nicht, da sie bei Ausschlagung nicht mehr gesetzliche Erbin ist. Ferner erhält F den wie bei einer Scheidung konkret berechneten Zugewinnausgleich. Zunächst wird der Zugewinn der Ehegatten durch Vergleich des Endvermögens zum Stichtag Tod des M mit dem Anfangsvermögen bei der Hochzeit ermittelt.

M hatte bei seinem Tod ein Endvermögen von Euro 600.000,--, bei der Hochzeit ein Anfangsvermögen von Euro 0,--. Sein Zugewinn in der Ehezeit betrug somit Euro 620.000,--.

 F hatte beim Tod des M ein Bankvermögen von Euro 20.000,-- und bei der Hochzeit kein Anfangsvermögen. Ihr Zugewinn während der Ehezeit betrug folglich 20.000,--.

 

M hatte Euro 600.000,-- mehr Zugewinn als F (Euro 620.000,-- ./. Euro 20.000,--). F erhält ½ dieser Differenz als Zugewinnausgleich, d.h. Euro 300.000,--. Da der Zugewinnausgleich eine Nachlassverbindlichkeit darstellt, ist er bei der Berechnung des „kleinen Pflichtteils“ der F vorab abzuziehen.

 

Der „kleine Pflichtteil“ der F errechnet sich sonach:

 

Nachlass M per 5.5.18                                                      Euro  620.000,--

./. Zugewinnausgleich F                                           ./.      Euro   300.000,--

                                                                                          Euro   320.000,--

Davon 1/8 „kleiner Pflichtteil“                                            Euro     40.000,--

 

Somit bekommt F bei Ausschlagung der Erbschaft insgesamt Euro 340.000,--, nämlich den „kleinen Pflichtteil“ in Höhe von Euro 40.000,-- und den Zugewinnausgleich in Höhe von Euro 300.000,--. Dies sind Euro 20.000,-- mehr, als bei Annahme.

Die Kinder S und T würden aufgrund der Ausschlagung der F Erben zu je ½ und müssten aus dem Nachlass Euro 340.000,-- an F zahlen.

 

Obwohl F wertmäßig bei Ausschlagung etwas mehr bekommt als bei Annahme, sollte die Ausschlagung wohl bedacht sein, da über die Höhe des konkreten Zugewinnausgleichs Streit mit den Kindern entstehen könnte, z.B. bei der Bewertung der Nachlassgegenstände.

 

Fazit:

Dies ist nur eine Fallkonstellation von unzähligen und Sie sehen, dass die Entscheidung oftmals schwierig zu treffen ist. Da man sich hier schnell „verspekulieren“ kann und auch noch unter Zeitdruck in einer emotional aufgeladenen Zeit entscheiden muss, ist mein klarer Rat, einen spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Gerne Stelle ich Ihnen hierzu meine Expertise zur Verfügung.