Der Begriff „Berliner Testament“ ist auch in Laienkreisen bekannt, was nicht heißt, dass die mit dieser Testamentsart verbundenen rechtlichen Probleme dem juristischen Laien in ihrer Konsequenz geläufig sind.

Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen diese weit verbreitete Testiermöglichkeit erläutern und aufzeigen was die Vor- und Nachteile sind. Zudem dienen Erfahrungen aus der Praxis einer ersten Orientierung.

Was versteht man unter einem „Berliner Testament“?

Ein „Berliner Testament“ ist ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten oder eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern, in dem diese sich wechselseitig als Erben für den ersten Todesfall und die gemeinsamen Kinder oder sonstige nahestehenden Personen als Erben des zuletzt versterbenden Partners nach dem zweiten Todesfall einsetzen.

Nachfolgend ist nur noch von Ehegatten die Rede. Sämtliche Ausführungen gelten genauso für eingetragene Lebenspartner.

In welcher Form wird das „Berliner Testament“ errichtet?

Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament, folglich auch ein „Berliner Testament“ in vereinfachter Form errichten. Es genügt, wenn einer von ihnen das Testament handschriftlich und eigenhändig niederschreibt und datiert und es dann beide Partner unterschreiben. Die Formel lautet: Einer schreibt und beide unterschreiben! Wie jedes andere Testament kann auch das „Berliner Testament“ entweder handschriftlich eigenhändig mit der vorgenannten Formerleichterung verfasst werden, oder in notarieller Form.

Wird ein „Berliner Testament“ in notarieller Form errichtet, dann beurkundet der Notar den gemeinschaftlichen Willen der testierenden Eheleute bzw. Lebenspartner. Eine andere Form der notariellen Beurkundung besteht darin, dass die testierenden Personen dem Notar eine offene oder geschlossene Schrift übergeben mit der Bemerkung, dass diese Schrift ihr letzter Wille sei.

Ist das „Berliner Testament“ ein einheitliches Testament?

Obwohl das „Berliner Testament“ auf einer Urkunde niedergelegt ist, handelt es sich rechtlich um zwei selbstständige Testamente. Dies liegt daran, dass jede Person nur über ihren eigenen Nachlass testieren kann, nicht aber über den Nachlass einer anderen Person.

Wenn die Eheleute Alfons und Herta Maier folglich ein “Berliner Testament“ errichten, so enthält dieses gemeinschaftliche Testament ein Testament des Ehemannes und ein Testament der Ehefrau, die aber beide in einer Urkunde niedergelegt sind.

Ist das „Berliner Testament“ für die Eheleute bindend?

Obwohl das „Berliner Testament“ rechtlich aus zwei selbstständigen, jedoch in einer Urkunde zusammengefassten Testamenten besteht, können bestimmte einzelne Verfügungen in diesem Testament rechtlich voneinander abhängen und eine Bindungswirkung entfalten.

Dieses Verhältnis nennt man in der Sprache des Rechts „Wechselbezüglichkeit“ der Verfügung. Wechselbezüglich und bindend können nur folgende Verfügungen sein:
  • Erbeinsetzung
  • Vermächtnis
  • Auflagen


Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis:

Durch die Erbeinsetzung wird jemand entweder alleine oder mit anderen Miterben Erbe und somit Rechtsnachfolger des Erblassers. Er wird automatisch im Moment des Erbfalls (Tod des Erblassers) Inhaber aller Rechtspositionen wie z.B. Eigentümer der Grundstücke und beweglichen Sachen, Inhaber der Forderungen des Erblassers etc. Die Kehrseite davon ist, dass der Erbe aber auch für die Schulden des Erblassers haftet. Der Erbe ist befugt alleine, oder gemeinsam mit den anderen Miterben den Nachlass zu verwalten.

Im Unterschied hierzu wird der Vermächtnisnehmer nicht automatisch Inhaber der Rechtspositionen des Erblassers. Er haftet nicht für dessen Schulden und ist auch nicht an der Verwaltung des Nachlasses beteiligt. Der Vermächtnisnehmer hat lediglich gegen den/die Erben einen Anspruch auf Vermächtniserfüllung, z.B. Auszahlung eines Geldvermächtnisses oder Übereignung eines Grundstücks bei einem Grundstücksvermächtnis.

Die Auflage beschwert den Erben mit bestimmten Pflichten, z.B. der Grabpflege, der Versorgung eines Haustiers etc.

Praxistipp: Alle anderen Verfügungen, wie z.B. Anordnung einer Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung oder Teilungsverbote können nicht wechselbezüglich angeordnet werden!

Wann sind Verfügungen sind in einem „Berliner Testament“ wechselbezüglich und bindend?

Wenn sich die Eheleute im klassischen Fall in ihrem Testament als Erben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben des zuletzt Versterbenden von ihnen einsetzen, sind folgende Verfügungen wechselbezüglich:
  • Die wechselseitige Erbeinsetzung der Ehegatten/Lebenspartner untereinander
  • Die Erbeinsetzung des zuletzt Versterbenden durch den zuerst Versterbenden Partner mit der Erbeinsetzung des Kindes/der Kinder durch den überlebenden Partner.

Verstirbt z.B. der Mann zuerst, dann ist die Erbeinsetzung der Frau wechselbezüglich mit der Erbeinsetzung des gemeinsamen Kindes durch die Frau. Der Mann knüpft die Erbeinsetzung der Frau an die Erwartung, dass das gemeinsame Kind nach deren Tod das elterliche Vermögen erbt.

Welche Konsequenzen hat die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen?

Jeder Ehegatte kann zu Lebzeiten des anderen seine wechselbezüglichen Verfügungen widerrufen. Der Widerruf muss notariell beurkundet werden und dem anderen Partner zu dessen Lebzeiten zugehen. Dann hat dieser die Möglichkeit, seine eigenen Verfügungen ebenfalls zu widerrufen oder zu ändern. Wenn eine wechselbezügliche Verfügung widerrufen wird oder aus einem anderen Grunde wegfällt, z.B. wegen Nichtigkeit, fällt automatisch die wechselbezügliche Gegenverfügung des anderen Partners weg.

Beide wechselbezüglichen Verfügungen sind so voneinander abhängig, dass sie in ihrer Wirkung miteinander „stehen und fallen“. Nach dem Tod des einen Ehegatten kann der überlebende Ehegatte seine wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr widerrufen. Dies nennt man „Bindungswirkung“ der wechselbezüglichen Verfügung. Stirbt z.B. der Mann zuerst, kann die überlebende Ehefrau nicht die als Schlusserben eingesetzten Kinder durch ein neues Testament enterben und andere Personen, z.B. einen neuen Partner als Erben einsetzen.

Der überlebende Ehegatte wird von der Bindungswirkung befreit, wenn er:
  • die Erbschaft nach dem zuerst versterbenden Partner ausschlägt
  • das Testament anficht, weil z.B. ein neuer Pflichtteilsberechtigter hinzugetreten ist (Wiederverheiratung, neues Kind). Die Anfechtbarkeit kann aber im „Berliner Testament“ ausgeschlossen werden.


Nachteile des Berliner Testaments

Beim Tod des zuerst versterbenden Elternteils werden die als Schlusserben eingesetzten Kinder enterbt, da der überlebende Elternteil Alleinerbe wird. Die Kinder können also gegen diesen Pflichtteilsansprüche geltend machen. Dagegen kann man sich im „Berliner Testament“ schützen, indem für diesen Fall sog. „Pflichtteilsstrafklauseln“ festgelegt werden. Es kann z.B. bestimmt werden, dass das Kind, das gegen den Willen des überlebenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, im zweiten Erbgang nach dessen Tod ebenfalls auf den Pflichtteil gesetzt wird.

Ferner kann für den zweiten Erbfall der Nachlass gemindert werden, indem den anderen Kindern, die keinen Pflichtteil fordern, zusätzliche Vermächtnisse ausgesetzt werden. Ein weiterer Nachteil ergibt sich daraus, dass die Kinderfreibeträge der enterbten Kinder im ersten Erbgang nicht genutzt werden. Jedes Kind hat gegenüber jeden Elternteil einen erbschaftsteuerlichen Freibetrag von Euro 400.000,--. Stirbt der Ehemann als erster und hinterlässt Ehefrau und vier Kinder, so geht der Freibetrag der vier Kinder in Höhe von insgesamt 1,6 Mio Euro verloren.

Dieses Problem kann umgangen werden, indem z.B. die Ehefrau sich mit den Kinder einigt, diesen einen Pflichtteil in Höhe der Freibeträge auszuzahlen. Da die Freibeträge für Eheleute mit Euro 500.000,-- sehr hoch sind, wirken sich die steuerlichen Nachteile des „Berliner Testaments“ nur bei großem Vermögen aus. Bei normalen Verhältnissen ist das „Berliner Testament“ das geeignete Mittel, um die Nachfolge in das Familienvermögen zu regeln.